Am 22. Juli 2017 wurde im Rahmen der Absolventenfeier des Instituts für Geschichtswissenschaften zum dritten Mal nach 2013 der Otto-Hintze-Nachwuchspreis verliehen, der wieder mit 3000 € dotiert war. Ausgezeichnet wurde Marcus Payk für seine Habilschrift „Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg“.
Das Jury-Mitglied Gabriele Metzler hielt auf die Arbeit folgende Laudatio auf den Autor und sein Werk:
Ich habe heute das Vergnügen und die Ehre, für die Jury der Michael-und-Claudia-Borgolte Stiftung zur Förderung der Geschichtswissenschaften zu sprechen und den dritten Otto-Hintze-Preis zu verleihen.
Neun jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben ihre Arbeiten eingereicht, und wir hätten guten Gewissens mehr als einen Preis vergeben können. Alle haben sie spannende Themen behandelt, neue Sichtweisen präsentiert, neue Zusammenhänge erschlossen, von der durchweg hohen handwerklichen Qualität der vorgelegten Studien ganz zu schweigen. Bei dieser Auswahl als Jurorin mitwirken zu dürfen, ist jedenfalls ein Privileg und ein Glück. Allen, die ihre Arbeiten eingereicht haben, danken wir herzlich.
Am Ende mussten wir uns freilich entscheiden, und das haben wir einvernehmlich getan.
Der diesjährige Otto-Hintze-Preis geht an Dr. Marcus Payk für seine Habilitationsschrift Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg.
Herr Payk ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter an unserem Institut. Er wurde nach dem Studium der Geschichts-, Rechts- und Sozialwissenschaften in Bochum und Münster 2005 in Bochum promoviert mit einer Arbeit, die unter dem Titel „Der Geist der Demokratie. Intellektuelle Orientierungsversuche im Feuilleton der frühen Bundesrepublik: Karl Korn und Peter de Mendelssohn“ 2008 bei Oldenbourg erschienen ist.
Mit seinem zweiten Buch hat er das Terrain gewechselt und sich der Geschichte des modernen Völkerrechts zugewandt.
Tatsächlich ist seine Studie an der Schnittfläche von Geschichts- und Rechtswissenschaften angesiedelt, und sie beeindruckt durch profunde völkerrechtliche Kenntnis und sicheres Urteilsvermögen in Fragen des internationalen Rechts. Dass er als Fluchtpunkt seiner Untersuchung den Friedensschluss von 1919 gewählt hat, ein Thema, zu dem eigentlich eine Fülle an Literatur bereits vorliegt, zeugt von Herrn Payks Mut; und dass es ihm gelungen ist, wirklich Neues zu Tage zu befördern, von seinem Können.
In der Arbeit werden die Friedensschlüsse von 1919 eingebettet in eine längere historische Entwicklungslinie des Völkerrechts, die Herr Payk vom Pariser Frieden von 1856 an nachzeichnet. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich das Völkerrecht als diskursives Feld heraus, das von juristischen Experten ganz maßgeblich geprägt wurde. Mochten auch die konkreten Fortschritte in der verbindlichen Normierung der internationalen Politik hinter hochgesteckten Erwartungen zurückbleiben, weil es eben nicht gelang, dem Recht vor nationalen Eigeninteressen höhere Geltung zu verschaffen, doch konnte ein Denksystem etabliert werden, das die Begründungspflicht politischer Entscheidungen erhöhte und Verrechtlichung als Rationalisierung internationaler Politik in einem bürgerlich-liberalen Fortschrittsnarrativ bündelte. Dass die deutsche Politik sich schon vor dem Ersten Weltkrieg damit schwer tat und auf dem Prae eigener Interessen beharrte, deutete kommende Konflikte bereits an. Und in der Tat nahmen die Westmächte die Verletzung der belgischen Neutralität durch die deutsche Kriegsführung 1914 als Beleg, dass die Deutschen sich auf einem Sonderweg von westlichen Zivilisierungsvorstellungen abwandten. Sie auf diese doch wieder festzulegen, war daher eines der vorrangigen Ziele der Friedensverhandlungen nach 1918.
Die Bemühungen, Macht, Interessen und Recht auszutarieren, blieben freilich glücklos, nicht nur weil die deutsche Seite Kompromisse verweigerte, sondern auch weil andere Beteiligte in dieser komplexen Situation ihren Interessen den Vorrang einräumten vor der Fortentwicklung und Konsolidierung des Völkerrechts. In diesem Sinne war die neue Friedensordnung von Anfang an eine prekäre Ordnung.
Herr Payk hat diese Konflikte auf einer beeindruckend breiten Quellenbasis akribisch herausgearbeitet; bei aller Abstraktion, die das Thema verlangt, hat er die handelnden Akteure und die Umstände, in denen sie handelten, immer im Blick behalten. Auf diese Weise ist ihm eine sehr lebendige Darstellung einer komplexen Geschichte gelungen. Die Jury war beeindruckt von seinem souveränen Zugriff und seinem sicheren Urteil. Diese Arbeit wird ganz gewiss ihre Leser finden und unsere Diskussionen über die Möglichkeiten, durch Recht Frieden zu schaffen, bereichern. Dass sie damit einen Beitrag leistet zur Urteilsbildung in Fragen, die unsere Gegenwart beschäftigen, ist das Beste, was wir als Historiker tun können.
Lieber Herr Payk, im Namen der Jury der Michael- und Claudia-Borgolte-Stiftung gratuliere ich Ihnen ganz herzlich zum Otto-Hintze-Preis 2017 und wünsche Ihnen gutes Gelingen für alles, was Sie sich nun weiter vornehmen.
Zur Vita des Peisträgers:
Marcus Payk (*1973) studierte 1993-99 Geschichts-, Rechts- und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Abschluß 1999 Magister Artium an der Ruhr-Universität Bochum). 2005 erfolgte die Promotion s.c.l. zum Dr. phil. ebendort. Von 2001 bis 2008 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und seit 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter/Assistent am Institut für Geschichtsswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin am Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte (Prof. Dr. M. Sabrow)